„Hinter unseren Masken sind wir ihr“

Wir haben uns vermummt. Während der gesamten Besetzung hielten wir unsere Gesichter durch Tücher, Sonnenbrillen und Kapuzen bedeckt. Nicht weil wir das cool finden oder mensch das eben so macht. Wir wollen keinen vermeintlich linksradikalen Lifestyle reproduzieren, hinter dem sich oftmals nur bloßes Macker*Innentum verbirgt. Vielmehr fühlten wir uns selbst unwohl mit dieser Maskerade und streiften sie in ruhigen Momenten im Haus ab, um mal wieder richtigen Blickkontakt zu haben.

Ausschlaggebend für unsere Verkleidung war in erster Linie der reine Pragmatismus. Wir besetzten dieses Haus in der Gewissheit, den legalen Rahmen des bürgerlichen „Rechtsstaates“ zu überschreiten. Daher diente sie dem Selbstschutz vor Repression durch Zivi- oder Knüppelbullen, sowie vor Faschist*Innen. Hiermit stellen wir aber unmissverständlich klar, dass wir uns nicht vor unseren Taten verstecken, uns nicht aus Feigheit von ihnen distanzieren.
Wir sehen es aber ebensowenig als notwendig an, dem bürgerlichen Bekenntnisfetisch zu entsprechen. Wir brauchen nicht mit Namensschildern debil in die Kamera zu grinsen, um unseren Taten Seriosität zu zusichern. Sie sprechen für sich. Vielmehr wäre es vermessen, würde die Hausbesetzung auf unsere Identitäten reduziert werden. Gehandelt haben wir* alle, nicht nur wir als Besetzer*Innen im engeren Sinne. Dies verleiht unserer Vermummung einen weiteren, symbolischen Gehalt, den wir allerdings gehörig versäumt haben zu stilisieren. Gemäß der zapatistischen Parole schreien wir: Hinter unseren Masken sind wir ihr! Das ist keine bloße Floskel, sondern ein politisches Konzept, dass unsere* Taten nicht vom Einzelnen her denkt, sondern von einem nicht identifizierbaren Kollektiv. Das heißt nicht, dass wir uns als Teil einer Arbeiter*Innenklasse, der Subalterne oder Multitude verstehen. Im Gegenteil: wir kämpfen gegen das Definiert-Werden. Dies ist das letzte Moment unserer* Vermummung. Sie richtet sich gegen die staatliche Gewalt und ihren permanenten Zwang zu identifizieren, zu klassifizieren, zu definieren, d.h. schlussendlich zu trennen. Vermummung muss daher nicht notwendigerweise eine passive Reaktion auf staatliche Repression sein, sondern kann zugleich ein aktives Tun, ein Akt der Rebellion werden. Wenn wir uns* also zukünftig wieder die Masken im wörtlichen, wie metaphorischen Sinne überstreifen, dann nicht zum Zwecke des Versteckens, sondern zur Befreiung von unseren aufgezwungenen Identitäten und der mit ihr einhergehenden Herrschaft von und über uns*. Dies tun wir im Idealfall mit einer gehörigen Portion Humor und Zynismus, in der wütenden Gewissheit, dass wir innerhalb einer kapitalistischen Gesellschaft ohnehin alle ununterbrochen Masken tragen, vermummt oder nicht.

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