Selbstverständlich sind wir noch hier. Ein kurzes Statement.

Wir sind noch hier. Selbstverständlich. Die Hausbesetzung der Neugasse 17 ist nun mehr als vier Jahre her, das Haus inzwischen abgerissen. Und wäre es nur die drei Jahre in denen es seit dem leer gestanden lassen wurde von uns selbst verwaltet gewesen – wir und viele andere in dieser Stadt hätten es sinnvoll nutzen und darin die Keimzelle einer neuen Gesellschaft aufbauen und solidarische, gegenseitige, respektvolle Lebensweisen entwickeln können.

Stattdessen sehen wir uns heute immer noch mit einer Stadtpolitik konfrontiert, welche im kapitalistischen Wettbewerb und der Verwertungslogik der Kommunen um die größeren Krümel des von allen erzeugten Reichtums buhlt, in welchem die Infrastruktur ausblutet, das kulturelle Leben und die Entwicklung alternativer Lebensweisen überall verunmöglicht wird.
Wir haben gesehen, wir gut durchdachte und auf Vermittlung und Verhandlung ausgerichtete Konzepte wie der Aufbau einer „Kulturwache“ abgeschmettert, wie der Initiative für die soziokulturelle Nutzung des Alten Schlachthofes ohne Ende Steine in den Weg gelegt und viele Versuche, unsere unmittelbare Lebenswelt lebenswert zu gestalten von der städtischen Politik niedergemacht wurden. Dabei wird jedoch auch offensichtlich, wie schwer es Menschen fällt, sich selbst für ihre eigenen Interessen einzusetzen und politisch zu organisieren.

Anfang nächsten Jahres soll das seit neun Jahren bestehende alternative Hausprojekt am Inselplatz den Bebauungsplänen der Uni weichen – unabhängig davon, ob die Ambitionen, den Universitätsstandort Jena aufzuwerten sich letzten Endes überhaupt auszahlen werden. Ein kleines Paradies ist der neue Wagenplatz an der Saale, der wie auch andere kleine Projekte für den großen Bedarf an selbstbestimmtes Leben in dieser Stadt steht. Auch sein Bestand soll nach dem Willen der Verantwortlichen nur von vorübergehender Dauer sein.
Stattdessen haben wir erlebt, wie seit letztem Jahr eine Polizeistrategie aufgelegt wurde, um Jugendliche mit lächerlichen und illegalen Kontrollen systematisch zur Unterwürfigkeit zu erziehen und Nicht-Weiße permanent durch ein rassistisches Raster einzuschüchtern.
Das Volkshaus soll zum Kongresszentrum werden, die Mietpreise werden weiter ansteigen, auch wenn der Unmut vieler darüber wächst.

Doch wir sind alle weiterhin aktiv. Verschiedene Auseinandersetzungen haben unsere Aufmerksamkeit gefordert, unsere Tätigkeitsfelder haben sich in den letzten Jahren teilweise verändert. Zu den erfreulichen Momenten gehören die Eröffnung des neuen FAU-Lokals in der Bachstraße im November und die Politisierung jüngerer Leute in Zeiten des zunehmenden Autoritarismus‘.

Über Jena hinaus sahen wir Besetzungsaktionen in vielen verschiedenen Städten im deutschsprachigen Raum – denen oftmals mit eben solcher Brutalität und Unnachgiebigkeit begegnet wurde, wie jenen hier. Dennoch wurde durch sie deutlich, dass das Bedürfnis an autonomen Räumen nicht geringer geworden ist; dass Menschen nach wie vor Vorstellungen alternativer und emanzipatorischer Lebensweisen entwickeln und sich danach sehnen, sie konkret und in Gemeinschaft umzusetzen. Unsere Ideen und Hoffnungen sind nicht illusorisch, sondern kalt ist die Ordnung, die nichts neben ihr zulässt und sich aggressiv gegen jene wendet, die an die Möglichkeit einer besseren Welt glauben und selbst Hand anlegen, um sie gegen den Hass und die Brutalität der Autoritären zu verwirklichen.

Dennoch und gerade darum halten wir daran fest: Andere Verhältnisse werden uns nicht gewährt und „für uns“ eingerichtet werden. Vielmehr liegt es in unseren Händen, Neues zu schaffen, unsere Stimmen zu erheben und Andere zu motivieren, es auf ihren Wegen mit zu verwirklichen. Womit sich der Kreis schließt: Denn dafür brauchen wir Orte des respektvollen Begegnung, der gemeinsamen Organisierung, der Experimente und Versuche, wie eine Gesellschaft ohne Gewalt, Unterdrückung, Ausbeutung und Entfremdung aussehen kann.

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