Auf zu neuen Räumlichkeiten! – eine Positionierung

Den „Raum“ gibt es ab jetzt nicht mehr. Damit ist gemeint, dass das Projekt in der Wagnergasse mit verschiedenen Schwierigkeiten konfrontiert wurde, welche zu seinem Ende in der angestrebten Form führten. Konflikte sind unvermeidlich, wo Menschen miteinander ein Projekt aufziehen und dort Zeit, Ressourcen und ihre Motivation hineinstecken. Konflikte alleine sind aber keineswegs etwas Negatives sondern im Gegenteil sogar der Boden auf welchem linke Kultur und Politik und ihre entsprechenden Orte entstehen und sich weiterentwickeln. Die Frage ist darum immer, welche Mechanismen gefunden werden können, damit unterschiedliche Vorstellungen eine Form finden können, um produktiv zu werden.

Im Fall des Raumes scheiterte die produktive Austragung von Spannungen an dem paranoiden Unwillen der Eigentümer_innen, welche sich nicht weiter bereit zeigten, das Projekt zu unterstützen. Mit diesem Hintergrund ist es leider unmöglich den Raum weiter zu halten und der Verlauf der Auseinandersetzung hat offengelegt, dass dies über kurz oder lang wahrscheinlich ohnehin nicht möglich gewesen wäre.

Tatsache ist, dass es einen grundlegenden Widerspruch gibt, wenn sich Räumlichkeiten im Privatbesitz befinden und sich dort andererseits Menschen engagieren, welche diese öffnen wollen, was sie nicht zu letzt mit einer antikapitalistischen Motivation tun, die sich gegen die Eigentumslogik richtet. Dennoch wäre es Unsinn, ein Vorhaben gleich zum Scheitern zu verurteilen, nur, weil Privateigentum dabei eine Rolle spielt. Schließlich befinden wir uns derzeit und hier in Jena nicht in der Position, Räume zu erhalten und zu öffnen, wie es uns beliebt. Wir müssen mit den vorhandenen Gegenheiten Vorlieb nehmen und diese sind auf schmerzliche Weise sehr bescheiden, was auch auf absehbare Zeit so bleiben wird. Dass Ideal vom Privateigentum weg zu kommen und kollektive, selbstverwalteten Strukturen aufzubauen, sollten wir jedoch im Hinterkopf behalten, nicht nur, weil wir es wichtig finden, andere Organisationsformen schon heute im Kapitalismus aufzubauen, um diesen kritisieren und überwinden zu können. Vielmehr zeigt das Beispiel der Auseinandersetzung um „den Raum“, dass wir auf sehr konkrete Probleme und Einschränkungen stoßen, wenn wir von der Gnade der Eigentümer_innen abhängig sind.

Trotz dem Scheitern des Projektes an diesem Punkt ist festzuhalten, dass eine ganze Menge in den letzten Monaten seit der Eröffnung des Raumes entstanden ist. Auch vorher entstand schon bei den Bauarbeiten eine Menge, bei denen sich wenige sehr entschlossene Menschen daran machten, einfach zu tun, was sie für richtig hielten. Dass es in Jena einen enormen Bedarf an linken selbstverwalteten Orten gibt, zeigte sich beim regen Zuspruch, den der Raum erfuhr und welcher mit längerer Nutzung weiter gewachsen wäre. Seien es Konzerte und andere Kulturveranstaltungen, Kneipenabende, Vorträge, Filmvorführungen, Lagermöglichkeiten oder Bastel- und Bauvorhaben – für all diese Dinge braucht es bestimmte Räumlichkeiten von denen wir viel zu wenige haben. Schließlich ist ein gemeinsamer, undogmatischer Raum auch bitter notwendig, um unterschiedliche Menschen zusammen zu bringen und Vernetzung zu ermöglichen, damit für die ganze Stadt eine Atmosphäre geschaffen wird, in der linke Politik und Weltanschauung dauerhaft möglich werden.
Wenn der Raum primär als ein Ort verstanden wird, die Mauern, welche ihn umgeben, dann ist das Projekt mit dem Eigentümerkonflikt und trotz aller Entspannungsversuche durch die Raum-Crew gescheitert. Handelt es sich aber um eine Idee, nämlich die Idee, selbstbestimmte Strukturen zu schaffen, können wir auch sagen, dass diese sich nicht erledigt hat, sondern genauso wie zuvor weiterlebt. Der Gegensatz zwischen Raum als Ort und Raum als Idee ist jedoch ein falscher. Beides existiert immer ineinander und ist ohne einander auch überhaupt nicht vorstellbar.

Dazu ein Beispiel: Ein paar Männer treffen sich beim Golfen. Der Golfplatz ist der Ort, auf dem sie zusammen kommen. Es hat Gründe, warum sie sich an diesem Raum treffen und nicht woanders. Beispielsweise handelt es sich bei Golf um einen Sport, welcher stark mit einer bestimmten sozialen Schicht verknüpft ist. Deswegen treffen sich dort Menschen, die potenziell Überschneidungen in ihren Ansichten haben. Auf dieser Grundlage könnten die Herren, in den Pausen wo ihre Knechte gerade die Bälle wieder einsammeln, Ideen entwickeln, neue Räume zu erschließen. Vielleicht würden sie einen Wohltätigkeitsverein gründen, der ein Clubhaus hat. In diesem könnten sie sich treffen, ihre Steuerabgaben durch eine gute Spendenpolitik reduzieren, ihr soziales Gewissen beruhigen und darüber hinaus ganz unter sich sein ohne den blöden Pöbel. Das Clubhaus besteht dann unabhängig vom Golfplatz und Golfspielen ist gar nicht mehr selbst Sinn der Sache (was es auch vorher nur teilweise war). Dennoch wäre ohne Golfplatz und Golfspielen auch kein Clubhaus und elitäres Rumhängen möglich geworden. Die sozialen Beziehungen führen zu einem bestimmten Interesse (Golf spielen). Aufgrund dieser Interessen kommen Leute zusammen (Golfplatz). An diesem Ort entstehen neue Ideen, die immer auch mit Räumlichkeiten verknüpft sind (Clubhaus). Wenn diese sich realisieren, entstehen neue soziale Netzwerke (reiche Elitenzirkel).

Am Beispiel sollte deutlich werden, dass Räume als Orte und Ideen keine Gegensätze sind, sondern immer schon verknüpft miteinander auftreten. Das heißt, die Idee eines Raumes ist quasi schon dieser Raum auch als konkreter Ort selbst beziehungsweise führt dorthin. Umgekehrt gilt, dass Ideen in bestimmten Räumen als Orte entstehen. Materialistisch denken bedeutet nun, die Entstehung von Ideen nicht Gott, dem Schicksal oder dem Zufall zu überlassen, sondern auf die Gestaltung der Räume Einfluss zu nehmen und ihre Atmosphäre bewusst zu prägen, immer damit verbunden, welche Ideen denn dort materialisiert und verkörpert sein sollen.
Darum ist das Vorhaben, einen konkreten Raum als Ort zu schaffen nicht einfach „nur“ ein Hobby oder eine coole Idee, sondern von enormer Wichtigkeit, wenn in Jena langfristig linke Kultur und Politik möglich sein soll. Darum ist es auch so wichtig, dass wir diesen Raum mit allen Leuten die darauf Bock haben und mit denen wir Anschauungen teilen, selbst schaffen, denn nur in dieser praktischen Tätigkeiten und den mit ihnen verbunden Konflikten, lernen wir, etwas anderes, neues zu schaffen; etwas, was zumindest eher von „uns“ ausgeht als die meisten anderen vorgefertigten Strukturen mit denen wir in der Gesellschaft zu tun haben.

Nach diesen Überlegungen ist es meiner Ansicht nach sehr wichtig darüber nachzudenken, wo in dieser Stadt ernsthaft ein neuer Raum entstehen könnte, auch wenn die Bedingungen dafür äußerst schwierig erscheinen. Eventuell könnte dies auch mit einer politischen Kampagne verbunden werden, die zum Ausdruck bringt, dass es nicht nur darum geht, einen bestimmten Ort zu bekommen und zu verwalten, sondern daran gleichzeitig bestimmte Vorstellungen geknüpft sind, welche wiederum auch die Ausgangsbasis darstellen, einen solchem Raum erschließen zu wollen.
Was alles getan werden „müsste“, „sollte“ oder „könnte“ liegt jedoch nicht im Ermessen von Unbeteiligten zu beurteilen und es wäre sinnlos dies als abstrakte Forderung an Menschen heranzutragen, welche sich in praktischen Auseinandersetzungen befinden. Vielmehr entsteht aus diesen der Blick dafür, was getan werden kann und wie die Geschichten am besten geschrieben werden können – mit all ihren Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten.

Allen Menschen, die sich bisher im Raum teilweise mit ungeheuerem Aufwand eingebracht haben, will ich deswegen Mut machen. Unabhängig davon, wie der Stand heute ist, war der Ansatzpunkt absolut richtig. Dass verschiedene Fehler gemacht wurden – auch abgesehen von den Eigentümer_innen – ist völlig klar und diese müssen erkannt und diskutiert werden, um damit weiter zu kommen. Meiner Ansicht nach gibt es aber keinen Grund das Erreichte nun für nichtig zu erklären und frustriert zu resignieren. Der Raum lebt durch die Menschen, welche seine Idee tragen. Um unsere Ideen aber richtig ausleben zu können und sie zu verbreitern brauchen wir neue Räume. Um bestimmte Ideen einer befreiten Gesellschaft ausleben und verwirklichen zu können, brauchen wir bestimmte, selbstverwaltete Räume, in denen wir gemeinsam wirkliche Erfahrungen sammeln können.

In diesen Sinne: Auf zu neuen Räumlichkeiten!

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