Eindrücke von der Recht-auf-Stadt Nachttanzdemo am 30.10.
Auch wenn der folgende Beitrag eher einige problematische Aspekte der Demo beleuchtet, befindet er sich durchaus im Zwiespalt. Denn selbstverständlich ist es auch mal „nett“ als Bürgerschreck durch die Straßen zu raven. Trotz, nein wegen!, aller Kritik geht es hier um die Strukturierung und Weiterentwicklung politischer Handlungen und Inhalte aus einer linksradikalen Perspektive, ohne, dass dies eine ausführliche Auswertung darstellt.
Zwischen 400 und 600 Menschen – so genau lässt sich das aufgrund des Abspring- und Mitnehmeffekts der Partydemo nicht sagen – an der Nachttanzdemo von der „Initiative Recht auf Stadt“ teil. Das Funktionieren dieser Veranstaltung sowie ihre Wirkung müssen unbedingt hinterfragt werden, wenngleich sie sich inhaltlich im Vergleich zum Vorjahr gebessert hat und die Teilnehmenden trotz ihres überaus ausgelassenen Zustandes überraschenderweise den Redebeiträgen Raum gaben. Unter anderem gab es Zwischenkundgebungen vor den beiden ehemals besetzten Häusern Carl-Zeiss-Straße 11 und in der Neugasse 17.
Vor ersterem sprach die Gruppe PEKARI von dem ihrer Meinung nach notwendigem autonomen Zentrum in Jena, linksradikalen Berührungsängsten mit bürgerlicher Politik (wovor die Demo bestes Beispiel ist, wobei „links“ durch sowas wie „alternativ“ ersetzt werden müsste) und darüber, das etwas „ins Rollen gekommen“ zu sein scheine mit einer möglicherweise initiierten Recht-auf-Stadt-Bewegung. Vor der Neugasse 17 sprach ein Mensch, die erste Hausbesetzung vor mittlerweile fast 11 Monaten zum Anlass nehmend. Dieser Beitrag richtete sich vor allem an die Teilnehmenden der Demo selbst als potentiellem aber nicht vorhandenem politischen Akteur mit der Annahme, Alternativkulturen verkörperten immerhin die Sehnsucht nach grundsätzlich anderen Verhältnissen, welche auch konkret in der Erkämpfung eines Raumes münden könnten, entstünden ein entsprechendes kollektives Bewusstsein und eine diesbezügliche Organisierung.
Die Frage der Organisierung ist bei der ganzen Recht-auf-Stadt-Thematik ohnehin ein wunder Punkt, gelingt es doch beispielsweise ein gigantisches Soundsystem aufzufahren, nicht aber eine funktionierende Demospitze zu organisieren. Der Zug der Demonstrierenden ließ teilweise aufgrund seiner enormen Desorganisation und Zähigkeit an das physikalische Gesetz der Trägheit der Masse erinnern, welche sich diametral gegen die Hoffnung oder Annahme ihrer Spontaneität stellt. Mit Infotelefon, Ermittlungsausschuss, Ordner_innen und teilweiser inhaltlicher Unterfütterung zeigten die Organisator_innen der Demo, dass sie durchaus in der Lage sind eine Struktur zu stemmen von welcher aus auch Interventionen in die Stadt hätten erfolgen können, wozu aber – wenig überraschend – niemand die Initiative ergriff. Was die aus dem Boden gestampfte Demo inhaltlich zum Ausdruck bringen sollte, war fast immer unklar. Zehn Teilnehmer_innen hätten dazu mehr als zehn unterschiedliche Aussagen treffen können – von Passant_innen ganz zu schweigen. Dafür sprachen auch die äußerst unterschiedlichen Parolen welche ein diffuses Sammelsorium linker Gedanken widerspiegelten, nicht jedoch ein gemeinsames Bewusstsein darüber, weswegen mensch nun gemeinsam auf der Straße ist.
Am ehesten spricht wohl die selbstbezügliche Tanzpraxis für sich, welche Hedonismus statt städtebaulicher Langeweile, irritierende Demokratie statt autokratischer Verwaltungsprozesse verkörperte. Diffusität, Verwirrung und Unbewusstheit über die umgebenden Verhältnisse aber vor allem auch das eigene Handeln in ihnen verdeutlicht, dass Aufklärung an dieser Stelle sehr grundlegend geschehen muss. Im Grunde genommen bedeutet dies zweierlei, nämlich, dass manche Dinge sehr einfach in die Alternativszene hineingetragen werden müssten, andererseits, dass dies mit einem radikalen Ansatz geschehen kann was nicht ausschließt, dass eine Verbindung mit bürgerlichen Initiativen möglich ist – freilich mit anderen Formen politischer Aktionen.
Der sogenannte „Aktionstag“ am folgenden Tag sollte dafür Raum geben, beschränkte sich aber soweit bisher bekannt wie zu erwarten auf eine angemeldete Kundgebung am Faulloch. In inhaltlicher Hinsicht einen krönenden Abschluss fand die Demo wieder am Inselplatz wo der letzte Redner/Rapper jeglichen Versuch irgendetwas rübergebracht zu haben wieder vollkommen diskreditierte. Sich selbst überhaupt ernst zu nehmen wäre die notwendige Vorraussetzung auch von anderen Gruppen der Bevölkerung und in der Stadt ernstgenommen und wennmöglich in Ansätzen verstanden zu werden.