Nacht-Tanz-Demo in Marburg – Für ein Recht auf Stadt am 28.11.
Die (T)raumklinik in Marburg ruft, unterstützt von einem breiten Bündnis, zur Nachttanzdemo gegen die Raum-Situation in der Stadt auf. Die Gruppe hatte sich nach einer Besetzung im Juli 2013 gegründet um das Thema weiter am Leben zu halten und bei der Vielschichtigkeit des Themas „Recht auf Stadt“ (soziokulturelle Räume, Situation von Geflüchteten, Mietpreise usw.) anzusetzen. Dahinter steckt eine sehr gute inhaltliche Arbeit, wie sich am Aufruf ablesen lässt.
Der Aufruft ist auch unten nachzulesen:
¡Ya Basta! Die Wohnraumsituation in Marburg ist eine Katastrophe.
Wieder einmal haben Stadt und Uni es nicht geschafft sich auf die steigende Anzahl von
Studierenden in Marburg adäquat vorzubereiten. Es folgte das alljährliche Desaster zum Beginn
des Wintersemesters: zu viele Menschen und nicht genügend bedarfsorientierter Wohnraum.
Die Gestaltung des städtischen Raums folgt auch in Marburg zunehmend einer neoliberalen
Verwertungs- und Marktlogik, welche die Stadt als Unternehmen und in Konkurrenz mit
anderen Städten begreift. Öffentlicher Raum wird privatisiert und Stadtteile gezielt aufgewertet.
Damit gehen Verdrängungsprozesse und Diskriminierungsstrukturen einher: ärmere Menschen
werden an den Stadtrand und ins Umland verdrängt, Geflüchtete werden, ohne ausreichenden
Zugang zu den städtischen Ressourcen, abgeschottet in Lagern untergebracht.
Die (Wohn-)Raumsituation verschärft sich aufgrund der zunehmend profitorientierten
Stadtpolitik und –entwicklung. Seit den 80er Jahren werden in Marburg immer weniger
Sozialwohnungen gebaut. Von den 2013 übriggebliebenen 2400 Wohnungen laufen bei jeder
fünften die Mietpreisbindungen bis 2018 aus.
Öffentliche Räume werden kommerzialisiert und konsumorientiert gestaltet.
Mit Veranstaltungen wie „Marburg b(u)y night“ wird uns einmal mehr aufgezeigt, dass
öffentliche oder gar augenscheinlich „kulturelle“ Veranstaltungen primär darauf ausgerichtet
sind die Stadt Marburg zu vermarkten.
Bestehende Wohnungen werden so aufgewertet, dass sie teurer werden und für viele nicht mehr
bezahlbar sind.
So werden Menschen verdrängt. Auch die entstehenden Neubauten schaffen selten
erschwinglichen Wohnraum, sondern bieten vielmehr einem vermögenden Klientel Exklusivität
und Möglichkeiten zur Kapitalanlage.
Nach Empfehlung des Runden Tisches „Preiswerter Wohnraum“ soll bei neu entstehenden
Wohnungen darauf geachtet werden, dass mindestens 50% barrierefrei oder barrierearm sind.
Doch was bedeutet barrierefrei und barrierearm? Und warum werden nicht alle Wohnungen, die
neu gebaut werden, so eingerichtet?
Wir haben in Marburg wieder eine neue Höchstzahl an Studierenden erreicht: 6.700
Erstsemester, 26.800 Studierende insgesamt.
Die vom Studentenwerk angebotenen Notbetten sind voll, Jugendherberge und Hostel
ausgebucht, auch der Campingplatz hat Hochsaison.
Und was macht unser Oberbürgermeister? Er spricht davon das Investor*innen nicht
verschreckt werden sollen.
Es ist ein Skandal, welcher sich jedes Jahr wiederholt. Diese Probleme gibt es nicht erst seit
September diesen Jahres.
Auf der Warteliste für Wohnheimplätze der Studiwohnheime, des Studentenwerks, standen
Ende Oktober über 800 Menschen. 800 Menschen auf 2.100 bereits belegte Wohnheimplätze.
Zusätzlich leben seit einem Brand im Familienwohnheim „Richtsberg 88“ im Juni ca. 200
Menschen in Notunterkünften und warten noch immer auf eine Rückkehr in ihre Wohnungen.
Ein Wiedereinzug in diesem Jahr ist nicht möglich, Instandsetzungsmaßnahmen wurden
abgebrochen, stattdessen wird seit über 2 Monaten an einem „umfassenden
Brandschutzkonzept“ gearbeitet.
Den ehemaligen Bewohner*innen werden die Vorgänge nicht transparent gemacht
und Informationen scheinen bewusst zurückgehalten zu werden. Es erinnert stark an eine
Hinhaltetaktik.
Die Betroffenen leben derzeit in einer belastenden Perspektivlosigkeit und versuchen durch eine
Petition die Öffentlichkeit zu erreichen und das Studentenwerk durch den öffentlichen Druck
zum Handeln zu bewegen.
Die Phillips-Universität Marburg schmückt sich mit einem Zertifikat das sie eine
„familienfreundliche“ Hochschule sei. Das wirkt im Angesicht der derzeitigen Situation und
dem Umgang mit den Betroffenen des Brandes fast schon zynisch.
Oft wird behauptet, dass Sexismus keine Rolle mehr spiele. Doch zeigt sich das Stadtbild in
seinen Widerlichkeiten von sexistischen Werbetafeln und zweigeschlechtlich ausgerichteten
Konsum. Sei es die banale farbliche Trennung von rosa für Mädchen und blau für Jungs oder
dass Bier und Auto zu einem ‚Mann’ gehöre, wie die ‚schöne Hausfrau’ an seine Seite.
So werden Rollenzuweisungen im öffentlichen Raum reproduziert. Dieses binäre Denken gilt es
zu hinterfragen und zu verändern.
Besonders problematisch im Landkreis Marburg-Biedenkopf ist die Unterbringung von
Geflüchteten.
Von der Politik wird von einer „Willkommenskultur“ gesprochen, jedoch haben es in der
Realität Geflüchtete in Marburg schwerer als alle anderen Bevölkerungsgruppen.
Nur ein Bruchteil der dem Landkreis zugewiesenen Menschen werden in Marburg mit
ausreichendem Zugang an Ressourcen untergebracht. Die Mehrheit muss in Lagern und
Notunterkünften leben. Diese liegen oft so abseits, dass die Menschen effektiv von der Teilhabe
am gesellschaftlichen Leben abgehalten werden.
Das die Zahlen von Geflüchteten steigen ist schon seit längerer Zeit hinreichend bekannt,
trotzdem wird erst jetzt angefangen sich damit zu beschäftigen und es wird sich überrascht und
überfordert gegeben.
Wir brauchen eine Demokratisierung der Verteilung und Verwaltung von Wohnraum, welche
statt nach privatwirtschaftlichen Interessen nach Bedürfnissen orientiert werden muss.
In Marburg und anderswo muss die Eigentumsfrage gestellt werden: Die Häuser sollten
selbstverwaltet werden und den Menschen gehören, die in ihnen wohnen, wie bspw. mit dem
Mietshäusersyndikat, welches Wohnraum nicht profitorientiert zur Verfügung stellt und die
Verwaltung den Bewohner*innen überlässt.
Unkommerzielle, selbstverwaltete Projekte werden in Marburg von der Stadt in prekären
Situationen gehalten oder gar in ihrer Existenz bedroht.
Wir erklären uns solidarisch mit der RADikate, welche von der Stadt aus ihrem Tunnel
verdrängt werden soll, dem Wagenplatz Gleis X, auf welchem die Menschen noch immer nicht
wohnen dürfen, den Betroffenen des Brandes am Richtsberg 88, sowie allen Menschen die
für ein Recht auf Stadt und ein selbstbestimmtes Leben kämpfen.
Ein weiteres Ziel ist nach wie vor die Schaffung eines Sozialen Zentrums, als möglichst
hierarchiefreien Raum für Kreativität, Reibung und Gegenkultur, wie es bereits in der alten
Augenklinik sowie vor dem alten Arbeitsgericht erprobt wurde.
(T)RAUMKLINIK – Für ein Recht auf Stadt Marburg und Unterstützer*innen
Jeden Sonntag vor der Demonstration Offenes Plenum um 20h in der Rakete im Bettenhaus
(Emil-Mannkopf-Straße 6)
Diesen Aufruf unterstützen:
RADikate
gruppe d.i.s.s.i.d.e.n.t.
NoBorder Marburg
Aktive Fachschaft Geschichte
Wagenplatz Gleis X Park & Riot
attac Marburg
Gemüse Kombüse Volxküche Marburg
SDAJ Gießen Marburg