Zwölf Monate Leerstand – ein Jahr nach der Hausbesetzung der Neugasse 17
Am 06.12.2013 wurde in Jena seit sehr vielen Jahren wieder ein Haus besetzt. Diese Aktion fiel in eine Zeit, in der die anhaltende Ökonomisierung städtischen Raums durch Konflikte um die Bebauung von Eich- und Inselplatz sehr präsent waren. Anstatt sich auf das ungleiche Spiel mit Eigentümer_innen oder Amtsträger_innen einzulassen und in unfairen Verteidungskämpfen zu verharren, entschied sich ein loser Personenzusammenhang für eine direkte Raumergreifung im Stadtzentrum:
Zum Nikolaustag wurde das „Infocafe Wolja“ in der frisch besetzten Neugasse 17 eröffnet. Mit dieser Initiative wollten die Besetzer_innen ein Zeichen setzen, dass reale Auseinandersetzungen auch in Jena geführt werden können und sollen, wenn dazu der Wille besteht…
Trotz vieler Schwierigkeiten und diverser Enttäuschungen, welche dieser und der Besetzungsversuch am 1./2. Juli infolge der gewaltsamen Räumungen mit sich brachten, haben wir dennoch viele Erkenntnisse gewonnen und überhaupt erst ermöglicht, dass über Analysen des Jenaer politischen Feldes, kapitalismuskritische Inhalte und den Horizont von Aktionsformen wieder in größerem Rahmen gesprochen wurde. Desweiteren wurde zumindest zeitweise unser Anliegen erreicht, verschiedene linke Gruppen und Einzelpersonen ohne institutionalisierten
Rahmen zusammenzubringen, um partiell gemeinsames Handeln, nicht als homogene Bewegung, sondern als ebenso miteinander solidarische wie kritisch diskutierende Einzelgruppen zu stärken.
Wir wollen an die Hausbesetzung erinnern und weiterhin den Leerstand dieses Gebäudes kritisieren, aus welchem JenaWohnen als Spekulationsobjekt weiter Profite zieht. In der Neugasse 17 wäre in den letzten 12 Monaten unter unserer Selbstverwaltung eine ganze Menge geschehen: Ein Ort der Zusammenkunft und des Austausches wäre in diesem Haus entstanden; wir hätten Infoveranstaltungen, kulturelle Ereignisse, politische Bildung und einen Nachbarschaftstreff organisiert und dabei viele Erfahrungen in Selbstorganisation gesammelt. Bestimmt hätte es genauso spannende Begegnungen wie nötige Auseinandersetzungen auf diesem
unentdeckten Terrain gegeben – und das auch mit „ganz normalen“ Bürger_innen.
Die Verhältnisse um uns herum sind in vielerlei Hinsicht unzumutbar. Nicht nur aufgrund all dem Zwang und der Gewalt, die uns umgeben, sondern deswegen, weil real vorstellbare Alternativen dauernd verhindert werden, werden wir weiterhin die miteinander verknüpften Thematiken von kapitalistischer Stadtentwicklung, Verwertung und das „Recht auf Stadt“ auf dem Schirm haben und uns einbringen. Dabei sehen wir uns als Teil einer weiten linken Bewegung, wofür unter auch die zahlreichen bundesweiten Aktionen im letzten Jahr (Hausbesetzungen, Demos, Stadtteilinitiativen, Mieterbündnisse, Zwangsräumungskampagnen etc.) stehen.
Nach einem Jahr sehen wir umso mehr die Notwendigkeit, dass wir einen selbstverwalteten Raum als Stützpunkt für unsere Aktivitäten brauchen. Dabei wollen wir diesen aber nicht nur „für uns“, sondern ihn für alle Menschen öffnen, die sich kritisch und emanzipatorisch in die Gestaltung der Stadt einbringen möchten. Die Hausbesetzung sollte in diesem Sinne auch ein Anstoß für andere sein, sich mit ihren jeweiligen Ansätzen und Möglichkeiten die Stadt anzueignen.