Update Repression: Strafbefehle und kommender Prozess
In der aktuellen Ausgabe der Thüringer Rote Hilfe Zeitung (TRZ) gibt es einen Artikel zum Stand der Strafverfahren gegen die drei am 7.12.2013 festgenommenen Besetzer der Neugasse 17. Mittlerweile scheint ein Verhandlungstermin gegen zwei der Besetzer näher zu rücken, nähere Infos gibts dann zeitnah hier.
Der Artikel als Volltext:
Wolja: Besetzung und Räumung in der Neugasse 17
Am 6. Dezember wurde nachmittags die Neugasse 17 im Jenaer Stadtzentrum besetzt. Der Ladenraum im Erdgeschoss wurde geöffnet und das Infocafe Wolja ausgerufen, während die Türen zum oberen Stockwerk und zum Garten hin verbarrikadiert waren.
Den gesamten Freitag über hielt die Polizei Distanz zum Haus. Versuche des damaligen Jenaer Polizeichefs Treunert, die Besetzer unter dem Vorwand von Verhandlungen aus dem Haus zu locken, scheiterten an deren Weigerung. Später stellte sich heraus, dass es diese Verhandlungen gar nicht gegeben hätte. Gegen Abend hin errichteten Menschen vor dem Haus massive Barrikaden aus Müllcontainern und Metallzäunen. Die Polizei beschränkte ihre Präsenz auf die beiden Zugänge zur Neugasse, von wo aus sie ab und zu an das Haus heranfuhr und aufgrund der vermeintlichen Einsturzgefahr des Hauses alle Menschen zum Verlassen aufforderte. Von Nachmittag an war vor dem Haus dauerhaft eine Kundgebung angemeldet.
Am Samstagmorgen erschien der Jenaer Bürgermeister Albrecht Schröter in Begleitung des JenaWohnen-Chefs Stefan Wosche-Graf und des Polizeichefs Treunert vor dem Haus. Schröter forderte die Besetzer zum Verlasen des Hauses auf und bot im Gegenzug Straffreiheit an. Als sein „Angebot“ zurückgewiesen wurde, ließ er den Pfarrertonfall hinter sich und verstrickte sich in ein extremismustheoretisches Plädoyer gegen die Verletzer von Privateigentum. Eine knappe halbe Stunde nach dem Verschwinden von Schröter und Co. wurden nahe dem Paradiesbahnhof BFE-Einheiten gesichtet. Kurz darauf stürmten ca. 40 behelmte BFEler die Neugasse herab auf die dortige Versammlung zu, rannten Kundgebungsteilnehmer um, zerrissen Transparente und sperrten den Eingang zum Haus ab. Mit einem Rammbock wurde die Tür vom Laden ins Haus aufgebrochen und eine gute halbe Stunde später drei Besetzer in Handschellen aus dem Haus geführt. Zusammen mit einem Teilnehmer der Kundgebung wurden diese zunächst in die überflüssigerweise eingerichtete Gefangenensammelstelle in der Turnhalle an der Kahlaischen Straße gebracht. Eine fünfte Person, die vorm Haus umgerannt worden war, wurde mit Verdacht auf Gehirnerschütterung und einer Anzeige wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ins Krankenhaus gebracht. Die drei Besetzer und der Kundgebungsteilnehmer wurden nach einer ersten Aufnahme von Personalien getrennt voneinander in die Polizeiinspektion am Anger gebracht. Die Besetzer durchliefen dort Verhörversuche und eine erkennungsdienstliche Behandlung, beides in anwaltlicher Begleitung. Danach wurden sie rausgelassen, allerdings ohne die ihnen noch im Haus abgenommenen Jacken, Mützen und dem Inhalt ihrer Hosentaschen. Nachdem die Zugführer der Rudolstädter BFE-Einheit „BISON“ erst einen auf blöd machten, mussten sie nach längeren Diskussionen nochmal mit den Rechtsanwält*innen zur Neugasse 17, die bereits von der Feuerwehr mit Holzplatten vernagelt worden war. Die Platten wurden wieder abgeschraubt und die Bullen holten zielgenau die Gegenstände aus dem Haus, von deren Existenz sie vorher nichts gewusst haben wollten.
Die Bilanz der ganzen Aktion belief sich auf zwei Anzeigen wegen Widerstand, die sich gegen die beiden Kundgebungsteilnehmer richtete, die von den Prügeleinheiten unvermittelt umgerannt wurden, und drei Anzeigen wegen Hausfriedensbruch gegen die drei bei der Räumung im Haus Festgenommenen. Im Gegenzug wurden eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Jenaer Polizeichef und eine Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die gewaltsame Auflösung der Kundgebung eingereicht. Die beiden Anzeigen wegen Widerstand mündeten in Einstellungen, über die die Betroffenen sogar schriftlich informiert wurden. Die Ermittlungen hierbei wurden vom Staatsschutzkommissar Tuche geführt. Selbiger leitet auch die Ermittlungen gegen die drei Hausfriedensbrecher, von denen einer Ende März 2014 einen Strafbefehl über 450 Euro bekam, gegen den er Einspruch einlegte. Als Zeuge ist neben zwei bei der Räumung eingesetzten Bullen und Staatsschützer Tuche auch der JenaWohnen-Chef Stefan Wosche-Graf. Der Termin für die Verhandlung wurde noch nicht festgelegt. Ein zweiter Besetzer erhielt wenige Wochen später einen Strafbefehl über 375 Euro, gegen den er ebenfalls Einspruch einlegte. Auch hier folgte bisher nichts. Der dritte Besetzer hat bis dato noch keine Post von der Staatsanwaltschaft erhalten.
Der Anmelder der Kundgebung vor dem besetzten Haus hat mittlerweile einen Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die brutale Auflösung der angemeldeten Versammlung bewilligt bekommen, sodass es offensichtlich einen erfolgsversprechenden Prozess vor dem Verwaltungsgericht geben wird.