aus der Hausbesetzer*innen-Szene
Wie oft gehen die Auseinandersetzungen um Wohn- und Lebensräume an verschiedenen Orten weiter. Es sind die scheinbar kleinen Kämpfe, in denen Erfahrungen gesammelt werden, Beziehungen wachsen und die es wert sind mit einem autonomen Ansatz gewagt zu werden. Auf der anderen Seite steht die Notwendigkeit der Raumaneignung für ganz verschiedene Gruppen. Gerade damit wir in Bewegung bleiben können, braucht es solidarische, verbindliche und dauerhaftere Strukturen die von Menschen selbst verwaltet werden.
Nach einer Woche Besetzung, wurde nun in Graz ein Haus geräumt.
Die OM10 in Göttingen feiert allerdings in dieser Zeit ihr einjähriges Bestehen.
Die Aktivist*innen des Kollektiven Zentrum (KoZe) in Hamburg, beenden nach zwei Jahren kollektiver Organisierung ihre Aktivitäten in diesem, nachdem sie starker staatlicher Repression ausgesetzt waren und dafür zu wenig Rückhalt erfahren haben. Zur Dokumentation wird die verlinkte Erklärung festgehalten.
[HH-Münzviertel] Offener Brief vom Plenum des kollektiven Zentrums (koZe): Wir gehen.
Wir gehen. – Hiermit schließen wir das kollektive Zentrum in der Norderstraße 65 im Hamburger Münzviertel. Nicht weil wir nicht mehr wollen, sondern weil die hamburgweite Unterstützung nicht ausreicht. Obwohl wir nicht aufgeben wollen, gehen wir aus den Räumen. Das verstehen wir nicht als Ende des Kampfes ums koZe, sondern als Ende eines Abschnitts im Kampf um selbstorganisierte Räume, um solidarische Nachbarschaft, um kostenlosen Wohnraum für Geflüchtete, um Autonomie.
Wir gehen aus den Räumen und sehen dies als strategischen Schritt, weil wir schon bis jetzt die Erfahrung gemacht haben, dass sich Menschen aus Angst vor Repression und auch anderen Gründen zurück undoder aus der Verantwortung ziehen und Aufgaben und Entscheidungen durch weniger Menschen gestemmt werden müssen. Das können wir zwar alleine versuchen, sehen aber auch unsere Verantwortung, die schwere Entscheidung zu treffen, dass wir das Ausmaß der kommenden Konfrontation nicht einschätzen können und dem im Zweifelsfall kräftemäßig nicht gewachsen sein werden.
Den Sieg den der Staat, die Investoren und die Gerichte damit erlangen gönnen wir ihnen auf keinen Fall. Wir werden keine Minute der Bullenpräsenz auf unserem Hof, keine der Festnahmen, keine der Schläge gegen unsere Leute vergessen, nix von all der Ignoranz der Politik, nix von eurer scheiß Heuchelei und der Fassade der Willkommenskultur werden wir vergessen, dessen kann sich jede_r bewusst sein. Jede Räumung produziert Ohnmacht. Aus Trauer und Wut wurde schon immer auch Widerstand.
Man fragt uns, ob wir nicht den Absprung verpasst hätten, den Zeitpunkt aus dem Haus zu gehen, wie es so viele andere taten. Nein haben wir nicht. Ihr habt den Punkt verpasst wiederzukommen. Die individuelle Enttäuschung ist kein Argument, sie ist ein Phänomen in von Repression und Räumung bedrohten Räumen. Sich das nicht geben zu wollen, den Druck einer Räumungsbedrohung aushalten zu müssen, ist verständlich. Zusammen mit mehr Leuten wars einfacher, der Druck nicht so präsent. Je weniger wir werden, desto individualisierter wird es uns treffen, darauf haben auch wir gerade keinen Bock. Nachdem die WG von Geflüchteten, die monatelang bei und mit uns wohnten nun woanders was gefunden hat können auch wir nun gehen. Das individuelle Sich-Zurückziehen konnten nämlich nicht alle, nur jene, die was zum Zurückziehen hatten.
Wir hatten über zwei Jahre eine großartige Zeit, in der wir viel tolles gemacht, erschaffen, erlebt, konstruiert und diskutiert haben. Wir haben Scheiße erlebt und manches davon auch nicht verkraftet. Aber auch Wut geteilt. Die Kämpfe, die woanders und auch weit weg statt finden, waren plötzlich bei uns und wir bei ihnen: Hambacher Forst, Griechische wie Berliner, Kölner oder Göttinger Häuserkämpfe, für Social Centers und für Wohnraum, für Recht auf Stadt, für Nachbarschaften, von/mit/für Geflüchtete und für Autonome. Über antirassistische Kämpfe in Deutschland, in Frankreich und auf der Balkanroute. Auch über Kriege und Flucht, über Geschichte antifaschistischen Widerstands und über andere Formen von Zusammenleben u.v.m. haben wir gelernt.
Unsere Erfahrungen der Selbstverwaltung und des Kollektivs sind der größte Schatz, neben der Dankbarkeit die wir erfahren und weitergeben. Kein Geld der Welt kann die sozialen Bindungen, die wir hier produziert haben aufwiegen, keine App kann diese Verbindungen herstellen, kein Staatsfuzzi ihre Bedeutung erkennen, kein Buch das Wissen einfangen was wir gemeinsam produzierten. Ein Kollektiv zu werden war super, die Idee des kollektiven Zentrums ist mehr als aufgegangen. Klingt zwar komisch, das in einem Auflösungstext zu schreiben aber immerhin waren wir es, ein Kollektiv. Mit einer Auswertung haben wir schon begonnen, und freuen uns einen Teil unserer Erfahrungen damit und über Veranstaltungen anderen Projekten weiterzugeben. Wer rumkacken will solls besser machen. Über solidarische Kritik freuen wir uns wie immer.
Die Revolution ist großartig.
Wir waren schon ein kleiner Teil davon.
Auf Wiedersehen,
das ehemalige koZe-Plenum.