„illegal“ als logische Konsequenz

Am Samstagvormittag des 7.12.2013 erschien der Oberbürgermeister Schröter zusammen mit dem Polizeichef Treunert sowie dem Geschäftsführer von JenaWohnen Wosche-Graf vor dem Infocafe Wolja. In einem Gespräch mit den Besetzer_innen verkündete Schröter, dass deren Vorgehensweise illegal sei, da sie gegen bestehendes Eigentumsrecht verstoßen. Darüber hinaus zähle ein solches Verhalten nicht zu den Gepflogenheiten des Landes. Als Alternative schlug er den Besetzer_innen vor, dass, sofern sie freiwillig das Haus aufgeben würden, mensch sich im Nachhinein zusammen setzen könne und über Alternativobjekte reden werde. In diesem Falle versicherte er den Besetzer_innen, Straffreiheit zu gewährleisten.

bewusstes Überschreiten

Die Ausdrucksform des politischen Widerstands ist „illegal“, weil sie sich außerhalb der bestehenden Ordnung wiederfindet und jene im selben Moment angreift. Genau darin soll auch die Intention gesehen werden. Eine Gesellschaft in der es „legal“ ist, dass Polizeieinheiten immer wieder mit übertriebener physischer und psychischer Gewalt gegen Demonstrant_innen vorgehen und jene im Nachhinein Anzeigen wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt erhalten, in der es „legal“ ist, Wohnraum leer stehen zu lassen und gleichzeitig Menschen auf der Straße leben müssen, in der es „legal“ ist, dass sich Menschen anderer Hautfarbe regelmäßig rassistischen Kontrollen unterziehen müssen, gehört überdacht. In einer solchen Gesellschaft sehe ich es als notwendig an, bestehende Gesetze zu hinterfragen und in einem folgenden Schritt bewusst zu überschreiten. Vor diesem Hintergrund stellt sich für mich auch nicht die Frage was ist „legal“ bzw. „illegal“, sondern vielmehr die Frage: Was ist legitim? Ist es legitim Polizeigewalt rechtlich zu schützen? Ist es legitim, einen nicht genutzten Raum der öffentlichen Nutzung zu enthalten? Ist es legitim, die Einflussnahme der Menschen auf das Stadtgeschehen auf ein Kreuz alle paar Jahre zu beschränken? …

Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.

Umso mehr, wenn Mensch weiß, dass angebotene Verhandlungen mit Institutionen der Macht lediglich dazu genutzt werden, um in der Öffentlichkeit ihr „demokratisches“ Image zu pflegen. Bei der Hausbesetzung vom 6.12.2013 ging es nie darum, am Ende straffrei heraus zu kommen und über Alternativobjekte zu reden. Es ging zum Einen ganz konkret um das Haus in der Neugasse 17 und zum anderen um die Aktion an sich, um neue Debatten zu eröffnen und schließlich um mit herrschenden Gesetzen zu brechen. Wolja sind viele! Und für Verhandlungsangebote bezüglicher Reste des Immobilienmarktes fehlt uns einfach die Naivität. Schließlich sind wir nicht hier, um etwas einzufordern und zu hoffen, dass wir es dann Jahre später bekommen werden. Wir sind hier, um im Hier und Jetzt, links-emanzipatorischen Ideen in der Stadt mehr Raum zu geben und der bestehenden Ordnung die Legitimität zu entziehen.

Raum für wen?

Laut dem Bürgerlichen Gesetzbuch haben die Besetzer_innen natürlich gegen geltendes Recht verstoßen. Darin heißt es im § 903: „der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen“. Der Eigentümer der Neugasse 17, Geschäftsführer von JenaWohnen Stefan Wosche-Graf, hat davon Gebrauch gemacht und ließ das Haus seit mindestens fünf Jahren leer stehen. Billigend nahm er den fortschreitenden Verfall des Hauses in Kauf. Aber das macht nichts, denn natürlich ist ihm bewusst, dass in einer Stadt wie Jena, mit einem Wohnungsleerstand von unter einem Prozent, ein Haus in der Innenstadt, ganz gleich in welchem Zustand es sich befindet, ein Vermögen Wert ist.

Dass es für Menschen, die sich aktiv am kulturellen Leben beteiligen wollen und somit gestaltend auf die Stadt einwirken möchten, mittlerweile unmöglich geworden ist, einen Raum für ihre Treffen, Veranstaltungen oder Diskussionen im Zentrum der Stadt zu bekommen, findet weniger Beachtung und spielt auch einfach keine Rolle. Sollen die sich doch untereinander Turnhallenzeiten in Winzerla und Lobeda teilen, mehr braucht es doch eh nicht. Darüber hinaus passt eine solche Nutzung auch überhaupt nicht in das Prinzip der kapitalistischen Stadtteilaufwertung. Was es dagegen im Zentrum einer Stadt braucht sind Räume des Konsums mit bekannten Marken. So ist dem Flanieren und Konsumieren nichts mehr im Wege. Freie Theatergruppen, Sambagruppen, Pantomimegruppen sowie Probemöglichkeiten für Bands gehören in das Erscheinungsbild der Innenstadt.

Mit Nachdruck will ich nochmal betonen, dass es mir nicht lediglich um den Erhalt subkultureller Räume geht. Ich lehne die vorherrschende kapitalistische Verwertungslogik von Raum ab, die zur Marginalisierung von Bevölkerungsgruppen führt und somit zur wirtschaftlichen sowie sozialen Exklusion beiträgt. Ein freiheitliches und selbstbestimmtes Leben ist unter solchen Bedingungen nicht realisierbar. Mir persönlich geht es also um die Aufhebung der bestehenden Ordnung. Mit der Räumung wurde zwar eine Aktion beendet, jedoch eine neue und intensive Debatte erst angestoßen. Ganz nach dem Motto „scheiternd voran“ werden sich Aktionsformen in ihrer ganzen Vielfalt überall in der Stadt wiederfinden lassen. Denn der Kampf für links-emanzipatorische Räume wird immer häufiger und provokativer auf der Straße stattfinden und sich nicht an irgendwelchen Runden Tischen im Stadtrat oder Beirat verirren.

Wolja lebt!

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