Wolja lässt grüßen… – zu einer widersprüchlichen Raum-Ergreifung

Solidarische Grüße an alle Menschen, welche hier und heute die Eröffnung des neuen „Raumes“ in der Wagnergasse zu feiern gedenken. Insbesondere gilt mein Respekt den Leute, welche zum Aufbau dieses Raumes viel von ihrer persönlichen Zeit und Kraft investiert haben, weil sie daran glauben, dass sie damit einen sinnvollen Beitrag für die lokale „Szene“ leisten.

Dass es auf verschiedene Weisen, je nach Möglichkeiten und Interesse neue Räume zu erschließen gilt, haben wir mit der Besetzung der Neugasse am 6. Dezember versucht zu verdeutlichen, wenngleich diese Idee selbst nicht von uns kam. Im Gegenteil, diese Stadt ist vielen von uns zu eng – in unseren Vorstellungen und Möglichkeiten, welche abseits von Konsumkultur, Studentenparty und gemieteten oder stark vorgeprägten Räumen nach Verwirklichung streben. Deswegen ist es gut, dass neue Räume erschlossen und von entschlossenen Menschen genutzt werden wollen. Darum wünsche ich gutes Gelingen für zukünftige Veranstaltungen und menschliche Begegnungen, die an diesem Ort als Treffpunkt zu Stande kommen mögen.

An dieser Stelle treten aber bereits die ersten Fragen auf, denn so „lustig“ die tautologische Bezeichnung „Raum“ für diesen Ort sein mag, zeigt sich doch gerade darin, die mangelnde inhaltliche Auseinandersetzung, welche bezeichnend für unsere Zeit, insbesondere aber auch für die Jenaer Szene ist. Der möglicherweise unterschwellige Gedanke, Dinge erst einmal offen zu halten, laufen zu lassen und erstmal zu „machen“ ist an sich begrüßenswert, insofern gesellschaftliche Veränderungen nur durch die Menschen möglich werden, welche uns umgeben und mit denen wir uns in Auseinandersetzung auf einen Weg begeben. Dies gilt auch und gerade im lokalen Kontext, wo wir Beziehungen zu Menschen und Orten haben – uns also angeht, was da abgeht.

Die Namensgebung „Raum“ ist aber eine Nicht-Bezeichnung und darum vielleicht auch eine (politische) Nicht-Beziehung, welche darauf hindeutet, dass wenige (politische) Vorstellungen mit einem solchen Ort assoziiert werden. Die Dinge offenhalten ist gut, gleichzeitig aber liegt es auf der Hand, dass wir doch ohnehin bestimmte Ideen mit dem „Raum“ verbinden, jedoch Vorstellungsvermögen, Bewusstsein und Mut fehlen, diese zu benennen.

Es geht dabei nicht um den Namen eines Ortes an sich, denn dieser muss mit Leben und Inhalten gefüllt werden. Es geht um die einfache Frage, ob in unseren verschiedenen (!) Räumen, überhaupt eine inhaltliche, linke und kritische Auseinandersetzung stattfindet, möglich werden kann oder überhaupt gewollt ist. Damit sind nicht nur Diskussionen gemeint.

Fest steht: Das „einfach machen“ führt zunächst zu nichts weiter als zur Reproduktion einer Szene. Wahrscheinlich hat auch die Szene-Reproduktion ihre Berechtigung, denn ohne, dass sich Menschen darum kümmern und ihre Zeit darin investieren würden, gäbe es diese Rückzugsorte nicht, an welchen Denken und Handeln (vielleicht eher als anderswo) emanzipatorisches Potenzial beinhalten.

Die „Szene“ ist (für einige Menschen) ein gemütlicher Hafen, bei dem wir schon auch mal einen neuen Steg anbauen. Die Frage, welche ich aber mit dem neuen „Raum“ verbinde, ist, ob wir bereit sind, den Hafen zu verlassen und eine Fahrt zu unbekannten Ufern antreten wollen. Kann dieser „Raum“ also zu einem Raum-Schiff werden? Zu einem Raumschiff, mit welchem wir Alles und uns selbst in Frage stellen und kritische Interventionen im Hier und Jetzt wagen?

Sollten einige Menschen die Sehnsucht nach dem Land der Freiheit hegen und den Mut entwickeln, die Reise anzutreten, braucht es aber mehr als das Schiff aus Balken, Wänden, Bierkästen, Türen und Fußbodenheizung (auch wenn es noch so fett ist.) Es braucht gedankliche Landkarten, nautische Instrumente und eine Frauschaft, die gemeinsame Ziele verbindet. Einen Kapitän braucht es entgegen falscher Vorstellungen hingegen nicht.

In diesem Sinne: Auf eine gute Fahrt!

ein_e (Ex)Besetzer_in der Neugasse 17

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