Bunt, irritierend und unbegriffen

In den letzten zwei Wochen näherten sich offenbar verschiedene Leute dem kurzzeitig besetzten Haus in der Carl-Zeiss-Straße 11. Neben einer Reihe von geklebten Plakaten („Ihr schränkt uns nicht ein!“) gab es auch einige Verewigungen auf der zugeschraubten Tür, in denen sich dazu (spaßhaft?) bekannt wird, hier eine Kommune gründen zu wollen. Vor kurzem wurde das Haus mit mehreren Farbbeuteln attackiert und aufgehübscht.

Nicht zu letzt sind es auch diese Verzierungen, welche die Blicke der vorbeigehenden Menschen immer wieder wie auf das Haus lenken. Tatsächlich sprechen zahlreiche Leute beim Vorbeigehen über das Haus und auch über die Besetzung selbst; bleiben teilweise auch stehen, um es zu betrachten. Eines Tages verweilte ein Kleinkind fasziniert davor und musste vom seinem Vater überzeugt werden, dass in dem bunten Haus niemand mehr wohnt und sie weitergehen müssten.

Diese Szene sprach für mich Bände, denn „natürlich“ war es der Erwachsene, welcher sich genötigt sah dem Lustprinzip des Kindes das eiserne Realitätsprinzip entgegen zu setzen. Seines erlernten Verständnisses nach, kann und darf es eben nicht sein, dass ein leerstehendes Haus besetzt wird. Seiner Erfahrung nach geschieht sowas auch gar nicht und deswegen ist es umso irritierender, plötzlich vor einem kürzlich besetzten Haus stehen bleiben zu müssen, weil das Kind mit dem Anschauen gar nicht mehr fertig wird und sich freut. Da stellt sich doch die Frage, ob sich die Erklärung des „Erwachsenen“ lediglich an das Kind richtet, oder nicht doch genauso an ihn selbst. „Denn was nicht ist, darf nicht sein – sonst würden Politik, Polizei und Justiz auch nicht einschreiten müssen“ – so die Logik.

Was hat dies zu bedeuten? Dass die Aktion der Hausbesetzung unter anderem auch darauf abzielte, den Raum des Denk- und Tutbaren zu erweitern. Das heißt: Es überhaupt vorstellbar zu machen, dass andere Dinge möglich sind, dass die Verhältnisse gestaltbar sind und überhaupt in Frage gestellt werden können.

Inwiefern dies und anderes gelungen ist und was überhaupt im Detail alles bei der Besetzung geschah, darüber sprachen in letzter Zeit einige Leute in kleineren und größeren Runden. Ob wir auf diese Weise ein Haus bekommen könnten oder wenn nicht, auf welche Weise sonst; ob ein „schönes Haus in beschissenen Verhältnissen“ erstrebenswert ist oder nicht; ob es sich bei der Hausbesetzung um eine symbolische oder konkrete Form von Politik gehandelt hat; ob die Aktion Ausdruck eines Prozesses oder doch ein isoliertes Ereignis war und auch welche Anstrengungen für welche Ziele gerechtfertigt sind – all dies sind offene Fragen, die es weiter zu bearbeiten gilt. Mit gilt es weiter zu gehen.

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