Geräumte „Pizzaria Anarchia“ – gelebter Widerspruch zu Gentrifizierung in Wien
Letzten Montag, am 28.07. wurde mit einem riesigen Aufgebot von 1700 Polizisten das Besetzte Haus im Wiener Volkertviertel nach vielen Stunden der Belagerung geräumt. Unter großem Medienecho war der Eigenname „Pizzaria Anarchie“ schon zuvor ein Symbol für einen punkig-trotzige Widerstand gegen Gentrifizierung.
Vorweg sei gesagt, dass das Problem der ‚Gentrifizierung‘ (Stadtteil“aufwertung“, Mietsteigerung, Verdrängung usw.) nicht den Bevölkerungsgruppen angelastet werden darf, welche über das Geld verfügen, im Konkurrenzkampf um lebenswerten Raum mitzubieten. Verfehlte Stadtentwicklungspolitiken und die Ausrichtung von Stadtplanung nach kapitalistischen Verwertungskriterien sind Ursache dafür, dass Gruppen von Menschen gegeneinander ausgespielt werden. Der Gegner in diesem beschissenen Spiel sind also nicht die Anderen, welche ebenfalls gezwungen sind, es zu spielen, auch wenn sie vielleicht mehr Kohle und Möglichkeiten haben. Gegner ist der Kapitalismus selbst, welcher Menschen auf ihre Verwertbarkeit reduziert, sie ausschließt und verdrängt.
Im Fall der Pizzaria holte sich der dämliche Eigentümer Castella GmbH im November 2011 eine Gruppe Punks mietfrei ins Haus Mühlfeldgasse 12, mit der Hoffnung, diese würden die alten Mieter vergraulen, sodass sie wegziehen und er das Gebäude teuer sanieren könnte. Bei einigen der Altmieter_innen ging dieser Plan auf, weil sie keine Perspektive gegen die Vermieterinteressen zu entwickeln können glaubten. Andere aber vergeschwisterten sich mit den Punks, die eine Vokü-Pizzaria für alle jeden Sonntag einrichteten und auch sonst ein reges Kulturleben entfalteten; mit Diskussionsveranstaltungen, Filmvorführungen, widerständigen Aktionen, Straßenfesten, einem Infoladen und einem Umsonstladen.
Zwei Jahre lang lebten Punks mit regulären Mieter_innen zusammen und auf diese Weise wurde das Thema Gentrifizierung in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt, was durch die Räumung mit gigantischem Aufgebot nochmals verstärkt geschah. Dabei sagten die Besetzer_innen, dass sie nicht nur für sich, sondern für die Bewohner_innen mit einem regulären Mietvertrag um das Haus kämpfen wollen. Wie auch in anderen Städten gibt es in Wien einen massives Ringen um bezahlbaren Wohnraum und damit verbunden viele tausende Zwangräumungen von unverwertbaren Mieter_innen in den letzten Jahren.
Deswegen: Solidarität mit allen Punk-Pizza-Bäcker_innen und vertrieben Mieter_innen der Mühlfeldgasse 12 in Wien!
Ein kleinen Überblick über Medienberichte. Auf dem Pizza-Blog ist zudem ein Pressespiegel über Berichte der letzten zwei Jahre eingerichtet. Auf youtube existieren verschiedene Videos zur Räumung.
http://derstandard.at/2000003586717/Wien-Vorbereitungen-zur-Raeumung-der-Pizzeria-Anarchia-begonnen
https://linksunten.indymedia.org/de/node/115855
http://www.vienna.at/raeumung-der-pizzeria-anarchia-einsatz-wurde-beendet-19-festnahmen/4039484
http://www.vienna.at/alle-bilder-zur-raeumung-der-pizzeria-anarchia-in-wien/4038746