Theater im Amtsgericht – Auszüge aus unordentlichen Verhältnissen

Vorrangig erheitert und guter Dinge gingen die Teilnehmenden der heutigen Verhandlung wegen Hausfriedensbruch ihrer Wege. Dass das ganze Gerichtsspektakel lächerlich und ihnen zu wider war, bezeugten der Angeklagte und mit ihm viele Teilnehmende. Denn immerhin ging es hierbei lediglich um eine Hausbesetzung.

Sicherlich ärgerlich für Richter Kleeßen, dass die von ihm als „Angehörige der linken Szene“ stigmatisierten Menschen, sich durchaus bereit zeigten, ihren Widerwillen zu äußern, also aufzubegehren gegen tatsächlich bescheuerte, diskrimierende und einschüchternde Vorgehensweisen, beginnend mit der Verordnung einer zweiten Kontrolle vor dem Gerichtssaal. Ärgerlich ist aber auch, dass die Bullen damals die Neugasse 17 räumen zu müssen behaupteten, bestand dazu doch keinerlei Notwendigkeit, schließlich hätte mit den Besetzer_innen auch mal gesprochen werden können. Ärgerlich deswegen, dass OB Schröter jegliche ernsthafte Kommunikation verweigert hatte und stattdessen Menschen beleidigte; ärgerlich, dass Polizeichef Treunert zu blöd war, anders zu reagieren; ärgerlich dass der Eigentumsvertreter von JenaWohnen Wosche-Graf nachträglich den Strafantrag unterzeichnete, den ihn Staatsschützer Roberto (*Nazifreund*) Tuche untergeschoben hatte.

Doch Ärger gibt’s bekanntlich ohnehin immer genug und so freuen wir uns vielmehr über die gelungenen Akte der Selbstermächtigung und die Aneignung des Gerichtssaals, in dem wir – wie auch sonst – nicht einfach hinnehmen, wer nach wessen Pfeife tanzen soll. Schwarzärgern sollen sich stattdessen die rassistischen Wutbürger_innen der AfD, die eine Mitarbeiterin der Landtagsabgeordneten Wiebke Muhsal zur Verhandlung vorbeischickten, um die Teilnehmenden zu bespitzeln. Dies sind also die vielbesagten ominösen „aktuellen Probleme“ deren sich Muhsal – selbst Juristin – mit ihrer Burschenconnection „annehmen“ will, wie sie in einer Wahlkampfsendung behauptet. Wobei die AfD aktuell mit ihrer Hetze gegen Geflüchtete klar Position bezieht – das ist nicht zu leugnen. Daneben will Muhsal offenbar alle zwingen, so viele Kinder zu bekommen wie sie, was bevölkerungspolitisch durchaus keinen Sinn ergibt, wollen doch so viele Menschen aus anderen Gegenden herkommen… Aber so sind sie eben, die neuen Frauen der Neurechten: Mütter so hart wie Kruppstahl. In dieser Hinsicht ist im besten Sinne zu wünschen, das ihre Kinder so wie wir werden: aufgeklärte, reflektierte, selbstbestimmte, schrecklich nette und politische Menschen – Linksradikale eben 😀

Apropos Kinder: Kleeßen war sich offenbar zwischendurch unsicher, ob er im Gericht oder im Kindergarten war. Wobei wiederum unklar war, ob er selbst eigentlich in ersteren oder letzteren sein wollte. Durchaus spricht einiges für den autoritären Kindergarten ganz alter Schule wie er aus vernünftigen Gründen abzulehnen ist. Sonst hätte er sich wohl anders zu helfen gewusst, als mit Gewaltandrohungen, dem Verhängen von Ordnungsgeldern wie auch den flachen Begründungen seiner Vorgehensweise. Oder war es doch gerade das Gericht, welches auf diese Weise verfährt? Verwirrung über Verwirrung entstand, insbesondere deswegen weil ein beleidigter Knabe auf erhöhtem Stuhl wild um sich schlug. Freilich ist auch richtig, das ihm kein Wohlwollen entgegengebracht wurde. Die alte „Wer hat zuerst angefangen“-Nummer bringt aber bekanntermaßen nicht weiter.

Geeinigt werden könnte sich möglicherweise auf eine Schul-Situation, in der alle Beteiligten etwas zu lernen hatten und dann ganz dem befreiungspädagogischen Ansatz nach, versucht wurde, den Widerspruch zwischen Lehrenden und Lernenden aufzulösen. Fairerweise sei Kleeßen auch zugestanden, dass er aufgrund des regen öffentlichen Interesses immerhin noch eine Reihe Stühle reinräumen ließ – das sind eben die Brosamen, die vom Tische der Herrschenden abfallen und welche wir dankbar aufpicken dürfen. Schade aber, das es zum Kino keine Nüsse gab.

Zum Wesentlichen bedarf es eines eigenen Artikels: Der Verteidigungsstrategie des Beschuldigten, welcher sich selbst – also ohne anwaltliche Vertretung – verteidigte, was eine mutige und nicht alltägliche Entscheidung darstellt. Umso erbaulicher, dass es ihm in der Tat gelang, schon vor der Personalienfeststellung das Heft in die Hand zu nehmen und die auferlegte gerichtliche Ohnmachtssituation zu durchbrechen. Einige schnell formulierten Anträge, welche die unsägliche Alltagspraxis deutscher Gerichte thematisierten überraschten mit ihrer Schlagfertigkeit, nicht minder die profunden Hintergrundkenntnisse über Staatschützer Tuches‘ Vergangenheit als NSU-Ignorant und dergleichen. Auf jeden Fall ein wunderbares Zeichen dafür, dass auch Gerichtssäale zu Räumen der Auseinandersetzung gemacht und für emanzipatorische Politik angeeignet werden können. Bei der erwartbaren Verurteilung zu 15 Euro á 30 Tagessätzen handelt es sich somit nicht um das Ende einer Geschichte, sondern dem Zwischenschritt einer widerständigen Praxis, von dem aus wir in verschiedene Richtungen weiterzugehen beflügelt werden.

Soweit. Riesigen Dank an alle Unterstützer_innen! Ein weiterer Bericht wird folgen.

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