Von uns kriegt ihr keinen Cent! Über die nachträgliche Repression gegen die Hausbesetzung vom 17. Oktober
„No Bauzäune were harmed in the making of this Stellungnahme“
Am 17. Oktober 2016 wurde das Haus in der Carl-Zeiss-Straße 10 in Jena besetzt und am nächsten Tag von den Bullen geräumt. Ende November, einen Monat später, muss der Anmelder der vor dem besetzten Haus stattfindenden Solidaritätskundgebung sich mit einem schockierenden Vorwurf konfrontiert sehen: Offenbar trat bei den nachträglichen Räumungs- und Aufräumarbeiten zu tage, dass bei der Besetzung wehrlose Bauzäune nicht nur zweckentfremdend als Barrikadematerial missbraucht, sondern dabei auch noch beschädigt wurden. Dies entnehmen wir einer sich auf über 1000 € belaufenden Rechnung des Kommunalservice Jena (KSJ), die dieser in seiner Not an eben jenen Anmelder richtete.
Dort heißt es: Für die „Baumaßnahme: Hausbesetzung Carl-Zeiss-Straße“ werden folgende Dienstleistungen berechnet: „Absperrzäune aufbauen, vorhalten und beräumen. Abersperrzäune suchen!!!“ Weiterhin (Rechtschreibfehler im Original): „Die Absperrzäune wirden mit in das Haus genommen, um sich zu verbarrikadieren. dabei wurden 4 Stück so beschädigt, das sie nicht mehr zu verwenden sind.“
Aus der Sicht der Bauzäune mögen wir uns die Kritik gefallen lassen, dass diese gegen ihren Willen Teil unserer politischen Aktion wurden. Wir verweigern uns jedoch der perfiden Repressionsstrategie der Stadt, die angesichts der aufmüpfigen Hausbesetzungen der letzten drei Jahre wohl langsam fuchsig wird. Nun müssen Verantwortliche gefunden und abgestraft werden, nicht nur, um die Hausbesetzungs-Szene einzuschüchtern und in ihre Schranken zu verweisen, sondern auch um künftig Anmelder_innen dazu bringen, den Hilfsbullenjob, den ihnen der Staat aufzwingt, gehorsamer auszuführen. Da die Bullen am 17./18. Oktober fast niemanden rangekriegt haben (außer einer Person, die eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs kassierte), wird die Repressionsausübung nun zum Job des KSJ. Er hat sich den einzigen, im Nachhinein greifbaren und angreifbaren Beteiligten – den namentlich bekannten Anmelder – rausgepickt und übt jetzt Druck auf ihn aus.
Das zeigt uns wieder einmal, dass nicht nur die Grenzen zwischen Absperrzaun und Barrikade, sondern auch zwischen Repressions- und zivilen Behörden fließend sind, dass also der ganze staatliche bürokratische Apparat repressive Funktionen erfüllen kann (siehe z.B. die Sanktionen bei Hartz IV).
Wir sind gern bereit uns mit Vertreter_innen aus dem Kreis der geschädigten Zäune zu treffen, um gemeinsam zu diskutieren, wie wir unsere Zusammenarbeit in Zukunft gestalten wollen. Die Rechnung des KSJ wurde vom Anmelder hingegen nicht bezahlt. Über die Zahlungsverweigerung verteidigen wir nicht nur die Beteiligten der Hausbesetzungsaktion vom 17. Oktober, sondern auch die Freiheit, Versammlungen durchzuführen. Die Stadt zwingt uns schon unsere Aktionen „anzuzeigen“ – allein das ist eine Einschränkung und Zumutung! Die Verfolgung der Anmelder_innen soll uns politische Aktionen und Widerstand zusätzlich erschweren und uns und unseren politischen Dissens aus dem öffentlichen Raum herausdrängen.
Falls ein Mahnbescheid eintrudelt, werden wir dagegen vorgehen. Fest steht: Keiner zahlt! Gegen die staatliche Strategie, uns zu vereinzeln, Führungsstrukturen in unsere Bewegung hineinzuphantasieren oder auch zu implementieren und einzelne Personen zu Rädelsführern oder Verantwortlichen für kollektive Aktionen zu erklären und zu verfolgen, setzen wir unseren kollektiven Widerstand!
Bauzäune zu Barrikaden!
von wolja