Entgegnung zu Woljas Diffamierung durch Repräsentantinnen und Wutbürger
– eine traurig-schaurige Anekdote aus einer bestimmten Perspektive
Bekanntermaßen – und schon mehrfach erwähnt – wollten Oberbürgermeister Schröter, der Geschäftsführer von JenaWohnen Wosche-Graf und Polizeichef Treunert am zweiten Tag der Besetzung bei den Besetzer_innen der Neugasse 17 gegen 11 Uhr auf einen samstäglichen Kaffee vorbeikommen. Mit Erstaunen mussten sie dabei zunächst feststellen, dass das besetzte Haus tatsächlich besetzt und zugenagelt war und sie nicht einfach eben mal auf eine Plauderei in das eigentliche Gebäude hereinspazieren konnten, wobei das Infocafé für sie selbstverständlich schon offen stand…
Stattdessen mussten sie es ertragen (Schröter: in seiner eigenen Neugasse! Wosche-Graf: vor seinem eigens verfallen lassenden Haus! Treuert: von seinen eigenen linksextremistischen Staatsfeinden!) von oben herab, also dem 1. Obergeschoss aus, behandelt zu werden. In dieser Gang von Vertretern fühle sich naturgemäß der paternalistische A. Schröter als Sprecher und versuchte mit mühsam gespielter Lässigkeit seine „Angebote“ vorzutragen. Nun waren die Besetzer_innen nicht auf den Kopf gefallen und hatten schon viel Unsinnigkeit in der Welt gesehen, was sie unter anderem wohl auch auf die naheliegende Idee brachte, dem entgegen zu wirken und ein ungenutztes Spekulationsobjekt der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Aber dass ein Oberbürgermeister so viel wirres Zeug in so kurzer Zeit sprechen konnte, überraschte sie dann doch. Sie entgegneten dem, anstatt sich in sogenannten „Gespräche“, von „soziokulturellen Beiräten“ und dergleichen wie andere Akteur_innen immer wieder verarschen zu lassen, hätten sie schon ein brauchbares Gebäude zur sinnvollen Nutzung gefunden.
In einem Anfall von gekränkter Eitelkeit, welcher seine vollkommene Unkenntnis der Situation offenbarte, warf der OB den Besetzer_innen und deren Unterstützer_innen daraufhin vor, ein Haus zu besetzen, sich Dinge zu nehmen, die einem nicht gehörten, sei stalinistisch. Auf die Nachfrage, ob eine Hausbesetzung etwa das Gleiche sei, wie Menschen in ein Gulag zu deportieren, antwortete Schröter, im Grunde genommen sei dem so. Nach weiteren Streitereien zog sich die Gang beleidig zurück. Wie bekannt veranlasste sie Minuten später, den unverhältnismäßigen Räumungseinsatz, welcher zum Ausdruck brachte, dass in diesem System die Verletzung und Repression von politischen Aktivist_innen offenbar das Gleiche ist, wie der Versuch mit guten Ideen und Gründen unseren Bedürfnissen nach Raum und Gestaltung Ausdruck zu verleihen.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass mich die genannten Personen als solche persönlich kaum interessieren. Andererseits aber zwingt sie niemand, ihre Hilflosigkeit und Unfähigkeit, welche sie mit polizeilicher Gewalt zu kompensieren suchen, immer wieder neu zur Schau zu stellen. Meiner Meinung nach sollten sie das Theater künftig den Schauspielern überlassen, wenngleich derlei Alltagssituationen einer besonderen Komik nicht entbehren. Doch der Spaß hört für alle Beteiligten auf, wenn Menschen verletzt werden und aufgrund ihres Engagements für andere mögliche Welten Anzeigen kassieren. Hierbei zeigt sich, dass die Besetzer_innen eine wirkliche politische Aktion durchgeführt hatten und es ihnen (bei aller Freude, die es macht und machen darf, sich politisch zu betätigen) mit ihren Anliegen durchaus ernst ist.
Repräsentanten wie Schröter aber kennen keinen Spaß und keinen Ernst und können vor allem auch nicht zwischen beidem unterscheiden, weil sie letztendlich keine Politik betreiben, sondern Menschen mit ihrer „Bürgerdemokratie“ verwalten. Nun liegt es im Wesen der Sache, dass die profitorientierte Verwaltung keine Menschlichkeit kennt und duldet, wo sie ihre Verwertungsinteressen in Frage stellt oder auch nur im entferntesten stellen könnte. Dies moralisch anzuprangern ist kleinbürgerlich und konservativ. Die Gründe dafür zu verstehen, sie in aller Schwierigkeit sichtbar zu machen und anzugehen, ist der lange Weg der Emanzipation.
Ob persönlich gewollt oder nicht, legitimieren Stellvertreter – wie in dieser Anekdote stellvertretend OB Schröter – mit ihren unreflektierten oder/und bewusst gewählten Diffamierungen genau jenen alltagsfaschistischen und alltagsrassistischen deutschen Normalzustand, welchen sie an anderer Stelle (hauptsächlich vor Kameras und Mikrophonen) in ihrer Menschenfreundlichkeit so „scharf verurteilen“.
Es sind Kommentare wie jene, die mich immer wieder dazu zwingen zu erkennen, dass diese Gesellschaft strukturell widerlich ist:
„Marco Riegler: linkes Dreckspack. Raus mit dem Viehzeug aus unserer Stadt!“
„Kai Gräfendorf: Immer schön drauf aufs gesindel […] Ab ins arbeitslager mit dem pack!!!“
„Andreas Rath: Das Linke Gesock ist nicht ein Deut besser als die Rechten. Schade um jeden Schlag der gestern daneben gegangen ist“
„Acker Christian: Für so ein scheiß werden Steuergelder verbrannt,….“
„Mike Buchspiess: Liebe Polizei ihr habt alles richtig gemacht Beschützt uns vor diesen Verbrechern Danke, Danke“
„Borsti Richter: Rote Socken! Sich über alles beschweren und das eigene Leben nicht hin bekommen…“
Es lohnt sich nicht, auf derartige menschenverachtende Kommentare weiter einzugehen. Sie drücken lediglich aus wie hasserfüllt und ekelhaft die Vorstellungen und Klischees sind, die auf uns als Linke projiziert werden. Und welche durch Äußerungen wie den schröter’schen immer wieder neu produziert werden.
Auf der anderen Seite stehen das ebenfalls im Umfeld der Besetzung erfahrene Verständnis und die Solidarität ganz normaler Menschen, welche sich offenkundig nicht mit den Besetzer_innen identifizieren und dies auch gar nicht tun müssen, die aber instinktiv ihre Anliegen verstehen und mit ihnen zu unterschiedlichen Graden sympathisieren. Zahlreiche andere kleine wunderbare Anekdoten könnten an dieser Stelle erzählt werden…
Im Gegensatz zu Bürgermeistern, Polizeichefs oder Geschäftsführern beweisen sie damit, dass es auch in unserer technokratischen Zeit durchaus möglich ist, auf einer menschlichen Ebene miteinander zu kommunizieren und einander zu verstehen. Deswegen können und dürfen Menschen unterschiedliche Meinungen haben, was mich nicht daran hindert, möglichst begründet für meine Argumente vehement einzutreten und reaktionären Tendenzen Widerstand entgegen zu setzen. Gäbe es mehr dieser Art unmittelbarer Kommunikation, mehr der Beschäftigung mit den eigenen Anliegen, mehr des Abbaus diffamierender Vorurteile und mehr der Selbstorganisation, wären wir der befreiten Gesellschaft einen großen Schritt näher.