Hast du es gehört? In Jena soll ein Haus besetzt werden.

Infolge der Besetzung und der darauffolgenden Diskussionen gab es an verschiedenster Stelle den Aufruf zu schriftlicher Reflexion, Rückmeldung, Kommentierung und Kritik. Die Resonanz darauf war ebenso verhalten wie die Energie einiger Menschen, die derartige Texte in Zeitungsform zusammentragen wollten – wir sind weiterhin für Einsendungen offen!
Der bisher einzige Text, der uns erreichte, soll hiermit längere Zeit nach seiner Erstellung als Blogeintrag veröffentlicht werden. An Aktualität hat er definitiv nicht verloren:


Hast du es gehört? In Jena soll ein Haus besetzt werden.

Ich hab´s gehört, schon Tage zuvor war es Teil des Stadtgeflüsters.
Es soll nach 2007 wieder soweit sein: Menschen nehmen sich Räume zum Leben, zum Miteinandersein, zum debattieren und intervenieren. Es war ein schönes Gefühl dies zu hören, doch für mich war ganz klar, ich werde nicht unterstützend dabei sein können. Leicht verärgert nahm ich es hin. Ich muss das Bett hüten.
Dann kam er, der Tag der Besetzung. Ich sog alle mögliche Informationsquellen auf: Radio, Internet, Gespräche mit Freund*innen. Aus meiner teilnehmenden Erfahrung in Erfurt, der Räumung des Besetzen Hauses im Jahr 2009 formierten sich immer wieder kritische Fragen in mir; kann diese Aktion erfolgreich sein, heute an dem Tag der großen Fußball-Demo, dem Konzert von Feine Sahne Fischfilet? Wird sich die „Szene“ mobilisieren lassen, außerhalb von Party und vorgegebenen Konsumstrukturen? Ich blieb skeptisch. Was ich aus der Ferne mitbekam, war die Notwendigkeit Aktionsformen aus sich selbst heraus zu initiieren, eine Kommunikationsstruktur zwischen den Unterstützer*innen außerhalb des Hauses zu erschaffen um Handlungsformen über die Nacht hinweg zu planen, denn auch der Morgen braucht wachsame Unterstützer*innen. Was damit geschah, bekam ich nur indirekt mit.

Meine Nacht war unruhig. Ich blieb im Bett. Hatte keine Wahl. Am Morgen war die Anspannung zu groß, ich will nun doch dabei sein, Freund*innen unterstützen, dieses Projekt verfestigen. Eine SMS erreichte mich „Alles ist gut. Heute Nachmittag findet der erste Workshop statt. Kommt zahlreich vorbei.“ Auf geht es. Mit Sachen zum Einziehen und Wohlfühlen zur Neugasse. Doch es war zu spät. Die Straße voll Polizei, die Anwohnerschaft völlig aggressiv. Die Räumung stand bevor. Der erste Mensch schon verletzt. Was ist hier passiert? Warum sind wir so wenige? Wo ist unser Widerstand? Meine Wut ist groß. Was ist los Jena?! Mir kamen die Tränen, als die Besetzer aus unserem Haus geführt wurden. Aus Wut wurde Traurigkeit. Zeigte sich in diesem Moment das Jena, auf das ich immer so schimpfe?

Später am Tag tat es gut, Solidaritätsbekundungen mit zu gestalten und mit zu erleben. Der Moment vor der Polizeiinspektion und die Sponti am Abend führten uns für diesen Tag noch einmal zusammen. Im Sinne von Wolja.
Und was bleibt ist zu erfahren, dass etwas passiert. Wir sind im Gespräch. Menschen die sich nur von Aktionsformen kennen, nicht aber gemeinsam planen, tauschen sich aus. Ein neues Gefühl der Hoffnung entsteht. Schaffen wir es hier in dieser Stadt, die vor allem eine hohe Fluktuation an aktiven und kritischen Menschen aufzeigt, wieder Momente der Selbstbestimmung in die Hand zu nehmen? Räume zu etablieren um kritisch und kreativ zu sein? Orte der Intervention zu eröffnen und ein Leben außerhalb von gesellschaftlichen Zwängen und Konsumformen zu ermöglichen?

Manchmal bin ich mir sicher: WOLJA LEBT. Und die Bewegung mit ihr.

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