Eben deswegen! – Wie eine Gerichtsverhandlung mittelmäßiger Bedeutung zum Schauplatz offensichtlichster autoritärer „Rechtsstaatlichkeit“ wurde
(ein persönlicher Eindruck)
Nach mehr als zweieinhalb Jahren kam es am 03.02. zur Gerichtsverhandlung gegen eine Person, welche des Hausfriedensbruch in der Carl-Zeiss-Str. 11, am 02.07.2014 angeklagt wurde. Die Verschleppung dieses Prozesses weist einerseits auf das träge und kontinuierliche Mahlen der Justiz-Bürokratie, in welcher Menschen nichts zählen und gemächlich zerrieben werden sollen. Andererseits kann hierbei schon von einer bewussten Verzögerung der Angelegenheit ausgegangen werden – möglicherweise in der Hoffnung, dass die Erinnerungen an die Hausbesetzung in Vergessenheit geraten und die Unterstützung für diese geschwunden wäre.
Dem war nicht so: Mehr als 30 Leute fanden sich schon zur frühen Urzeit vorm Amtsgericht ein mit der Absicht als engagierter Teil der Öffentlichkeit ihr Interesse für das angesetzte juristische Spektakel zu bekunden. Richter Detlef Kleßen sah diesem aber offensichtlich auch mit einiger Erwartung entgegen, denn wie wäre sonst das irrsinnige Polizeiaufgebot von mindestens 6 Wannen und 3 Streifenwagen zu erklären, dass sich vor Ort einfand. Dass vor dem Gerichtssaal eine zweite Personen- und Personalienkontrolle durchgeführt wurde, ist an sich schon zu bestanden und sollte nicht als selbstverständlich angesehen werden. Weiterhin wurden aber auch die Ausweise der Menschen, welche die Verhandlung beobachten wollten, kopiert.
Einer Mutter mit Kleinkind wurde der Zugang zum Gerichtssaal verweigert, weil ihr unterstellt wurde, sie hätte das Kind in der Absicht mitgebracht, die Verhandlung zu stören. In die Disko brächte man ja auch kein Kind mit, so Kleßen, der an diesem Tag wohl vergessen hatte die Diskokugel aufzuhängen während Musik lediglich auf unserer Kundgebung gespielt wurde… Im Übrigen wurde mit dem Ausschluss Unter-16-Jähriger auch begründet, weswegen alle Ausweise zu kopieren seien, wobei wir sicherlich darauf vertrauen können, dass mit unseren Daten sensibel umgegangen wurde…
Die Bullen im Gerichtssaal selbst wirkten ebenfalls so, als wären sie von Beginn an auf Krawall gebürstet. Daneben erfüllten sie alle Klischees und belästigten mehrere weibliche Personen sexuell, was zu ihrem Repertoire an Gewaltausübung dazugehört.
.. Als wenn Kleßen es sich von vorne herein vorgenommen hatte, mit Zwang das durchzusetzen, was er dann tat: Die gesamte im Gerichtssaal versammelte Öffentlichkeit aus der Verhandlung auszusperren, als das erste Klatschen – die ersten Begeisterungsbekundungen für den selbstermächtigenden Versuch einer Selbstvertretung .- vor dem Hohen Haus des Strafens, erschallte. Einfach alle auszusperren wäre seiner Ansicht nach möglich, weil er nicht zuordnen könne, wen er für die Geräusche verantwortlichen machen (und damit abstrafen) könnte. Die Verhandlung wurde unterbrochen und alle (bis auf die mit Schusswaffen anwesenden Cops) des (viel zu kleinen) Saales verwiesen. Um den demokratischen Schein einer öffentlichen Verhandlung zu wahren, durften dieser gnädigerweise in der zweiten Runde noch einige Menschen beiwohnen, wenn sie sich ebenfalls den Eingriffen in ihrer Persönlichkeitsrechte unterzogen hatten.
Das Aufgebot der Polizei, die zweiten Einlasskontrollen, das Kopieren von Ausweisen, die sexuellen Belästigungen durch Bullen, die Aussperrung von Jugendlichen und Kindern, der Herauswurf einer gesamten Zuschauerschaft und die geheimdienstliche Überwachung, von der wir hierbei stillschweigend ausgehen müssen, sind in höchstem Maße zu beanstanden. Allein im demokratisch-rechtsstaatlichen Rahmen, durch dessen Aufrechterhaltung sich die Justiz unter anderem auch in diesen politischen Prozess legitimiert, kam es bei dieser Gerichtsverhandlungen zu unglaublichen Schikanen von Bürger_innen (ob sie das sein wollen oder nicht, sei dahingestellt).
Unter Strich erreichten Kleßen und die Bullen damit das glatte Gegenteil von dem, was sie wollten. Es ist doch lachhaft anzunehmen, dass wir durch diese Schikanen (oder durch die völlig sinnlosen Streifenfahrten den restlichen Tag über) nun eingeschüchtert wären und uns nicht mehr ach so radikalen Mittel des Zivilen Ungehorsams (!) bedienen würden, wie beispielsweise Hausbesetzungen. Wir sind einfach nur Leute, die genau das scheiße finden und kritisieren, dessen wir an diesem Tag im Gericht Zeug_innen wurden: Nämlich, dass Leute ohne Argumente, gesunden Menschenverstand und Interesse an politischer Auseinandersetzung uns dauernd ihren Willen aufzwingen können, in einer Gesellschaftsordnung, wo das als normal angesehen wird. Insofern wäre es gut, wenn liberale Bürgerrechtler_innen oder eben einfach Menschen, den Justizanstalten und Polizeieinheiten dieses Landes und ihrem Personal kritisch auf die Finger schauen. Für viele von uns, haben sie an diesem Tag ein Stück mehr ihre Sinnhaftigkeit und Legitimität verloren.